Nach einer unruhigen Nacht müssen wir nun auch noch in die Stadt um unsere Bargeldreserven aufzustocken. Aber auch dieses Chaos lässt sich ohne große Probleme beherrschen, wenn man sich auf die südländische Fahrweise einlässt. Eben alles ein wenig gelassener sehen als bei uns, dann geht das schon. Auf  jeden Fall haben wir einen Parkplatz gefunden und Achim bekam auch noch sein verdientes Bad im Mittelmeer.

Jetzt sollte der Höhepunkt unserer Tour folgen: die Ligurische Grenzkammstrasse. Ein Offroaderlebniss allererster Güte. Irgendwo hinter Ventimiglia sollte uns die Strasse Richtung Pigna führen, dem Ausgangspunkt der Schotterstrecke. Allerdings dauerte es eine Weile, bis wir die kleine Abzweigung gefunden haben.

Zuerst geht es noch verhältnismäßig harmlos voran, die Straße ist zwar schmal, aber noch geteert. Hinter einem einsam gelegenen Gasthof geht es dann aber los. Auf einem einspurigen Feldweg immer weiter in die Berge hinauf. Zuerst ist die Landschaft noch unspektakulär und man kann sich ganz auf das Fahren konzentrieren, was zu Anfang auch gar nicht schlecht ist. Der Weg wird ein einigen Stellen doch ganz schön eng und es geht immer auf einer Seite sehr steil und meist sehr tief hinunter.

Ein erster Bunker am Wegesrand erinnert uns daran, dass dieser Weg gebaut worden ist, um Festungsanlagen in den Bergen zu errichten und zu unterhalten. Natürlich muss der erst einmal untersucht werden! Der Geruch, der uns aus dem Eingang entgegenschlägt lässt uns aber schnell einig werden, dass wir eine Besichtigung von außen für ausreichend halten. Also geht es weiter bergan. Die Strasse ist inzwischen so schlecht, das Achim den Allradantrieb einschaltet und immer wieder auch die Getriebeuntersetzung ihre Berechtigung findet. Wir werden heftigst durchgeschüttelt in dem kleinen Samurai.

Einige Kilometer weiter Richtung Norden stoßen wir auf eine alte Kasernenanlage. Eine Bauernfamilie scheint hier einen Almbetrieb aufrecht zu erhalten. Wir hatten öfters den Eindruck, dass in der Nähe des Weges eine Ziegenherde weidete. Es roch immer wieder sehr deutlich nach Ziege! Aber auch Kuhherden und Bienenstöcke findet man hier oben immer wieder.

Nun meldet sich langsam der Magen. In der Nähe einer Alm (bestehend aus Kuhherde und altem Wohnwagen) finden wir ein gemütliches Plätzchen. Kaum ausgestiegen werden wir von einem großen Schwarm Fliegen mit lautem Gesummse empfangen. Also nichts wie ins Auto und hier weg! Einige Kilometer weiter finden wir in einer Kurve ein lauschiges Plätzchen, an dem wir uns den Magen erst einmal füllen. Wir hören ein brummen von mehreren Motoren langsam lauter werden. Da kommt eine ganze Familie mit Trialmotorrädern und Quads die Strecke heruntergeblasen. Dies war unsere erste Begegnung mit Quads, aber wir haben noch einige im weiteren Verlauf der Tour gesehen. Die Geräte sind für diesen Weg wie geschaffen. Einige sind auf den Vierradmotorrädern (oder was sind das?) doch sehr übermütig unterwegs. Da ist es manchmal besser an den Wegesrand zu fahren und sie passieren zu lassen. Ein Unfall hier oben endet eben zu schnell mit einem Sturz in die Tiefe – und davon gibt es reichlich!

 

Nun sind wir in ein Felsengebiet gekommen. Hier gibt es nur nackten Fels, der höchstens mit Moosen und ein paar kärglichen Gräsern bewachsen ist. Der Weg ist so schlecht, das wir im Standgas, bei eingelegter Untersetzung noch zu schnell sind. Ein Fußgänger könnte uns hier sicher überholen, aber wahrscheinlich würde er sich dabei die Beine brechen. Und es wird so eng, dass Achim sogar mit dem schmalen Samurai gut aufpassen muss, um nirgendwo einen Felsen zu schrammen.

Wegweiser sind hier oben ziemlich selten und weisen dann auch meistens nur da hin, wo man nicht hin will, nämlich in die Ortschaften unten im Tal. Als wir einmal nicht so recht wissen, welchen Abzweig wir nehmen sollen, kommt ein Endurofahrer von der französischen Seite heraufgeprescht und packt eine hervorragende Karte von dem Gebiet aus. In einem Gemisch aus französich, deutsch und englisch verständigen wir uns prima über den besten Weg.

So geht es also langsam immer weiter Richtung Norden. Doch was ist das? Ein Zaun mitten über den Weg! Was jetzt? Nachdem ich mir den Zaun mal näher angeschaut habe, sehe ich, dass man ihn an einer Stelle aushaken kann. Die Durchfahrt ist frei. Erleichterung macht sich breit.

 

Jetzt geht es vorbei an großen Kuhherden. Doch was kommt uns da entgegen! Eine Frau auf einem Pferd, wobei man nicht so genau erkennen kann, ob die Frau oder das Pferd die Richtung bestimmt. Dahinter folgt ein gesatteltes Pferd ohne Reiter und alles in einem Affenzahn. Wir haben auf den nächsten Kilometern einen Reiter ohne Pferd gesucht, konnten aber nichts entdecken.

 Dafür sahen wir dann bald die Silhouette eines Forts in der Ferne. Es wurde schnell größer und die letzten Meter dorthin haben wir über einen kleinen Offroadpfad vom Feinsten zurückgelegt. Von der Fortplattform aus hat man einen herrlichen Blick auf die Nordtrasse des Passo di Tende. Leider kann man das Fort nicht betreten und ein wenig darin stöbern, was wir doch für unser Leben gern tun.

Mit dem Fort ist nun der Endpunkt der ligurischen Grenzkammstraße erreicht und es geht entlang von Skiliften steil herunter. Auf der Hauptstrasse angekommen, wenden wir uns in Richtung Turin.

 

Da haben wir gedacht, wir suchen uns schnell einen Campingplatz und genießen den Rest des Tages; dies war aber nur ein Traum. Es ist uns über Stunden hin nicht möglich einen Hinweis auf einen Campingplatz zu finden. Selbst als wir das Quellgebiet des Po erreichen finden wir keine Unterkunft. Schließlich fahren wir auf die Autobahn und bewegen uns ins Aostatal, wo wir in der einbrechenden Dämmerung endlich einen Platz finden. Wir sind so fertig, dass uns sogar das mitgebrachte warme Bier schmeckt. Und dann schnell auf die Luftmatratze. Aus der Ferne sieht man Blitze zucken und der Donner rollt herüber, aber wir bekommen nur ein paar Windstöße und einige Tropfen Regen ab.
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